Aristoteles |
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Herders "Abhandlung über den Ursprung der Sprache" beschäftigt sich – wie der Titel schon sagt - in erster Linie nicht mit der Stimme, sondern mit der Sprache, und geht der Frage nach: Ist die menschliche Sprache ihrem Ursprung nach göttlich oder tierisch? Dahinter steckte ein damaliger Disput unter den Gelehrten zu diesem Thema, der dazu führte, daß die Akademie der Wissenschaften die Frage öffentlich stellte, Herder seine Abhandlung dazu schrieb und damit den Preis der Akademie gewann. Er nimmt darin eine dritte Position ein, indem er sagt, daß die menschliche Sprache weder göttlichen noch tierischen Ursprungs ist, sondern gerade den Menschen zum Menschen macht, ihm also eigentümlich ist. Denn die den Menschen eigene Vernunft ist so sehr an die Sprache gebunden und die Sprache an die Vernunft, daß nur dem Menschen als vernunftbegabtem Wesen so etwas wie die Sprache eigen sein kann. In meiner Auswahl der Textstellen interessiert mich die Frage nach dem Sprachursprung nicht so sehr. Der Text ist aus anderen Gründen interessant für diese Hörbuchreihe, in der ich Schriften lese, die in einer anthropologischen Hinsicht Bedeutsamkeit haben für die Frage: Was ist die menschliche Stimme? Oder: Worin besteht die Verbindung zwischen Menschsein und dem Besitz der menschlichen Stimme? In ihm kommen nämlich zwei Aspekte zur Sprache. Zum einen handelt es sich um die "Empfindungs-sprache" wie Herder sie nennt, eine Sprache, die nur aus stimmlichen Lauten besteht und schon von höheren Tieren besessen wird. Hier geraten wir mit Herder an den Punkt, der mich als Stimmforscher anzieht: zu fragen, worin besteht die Bedeutung von reinen Stimmlauten, die ohne Worte geäußert werden?
Der zweite Aspekt, den ich aus Herders Abhandlung heraus-hebe, betrifft das Hören! Herder schreibt einiges über Gehör und Hören, das meiner Ansicht nach wert ist, neu gelesen oder eben gehöört zu werden. Besonders fruchtbar füür weitere Überlegungen scheint mir dabei die Idee zu sein, das Gehör als "mittleren Sinn" zu definieren, der zwischen Sehsinn und Tastsinn bzw. Gefühl steht und damit genau die richtige Distanz und Nähe zur Welt hat, um so etwas wie Sprache überhaupt entstehen können zu lassen.....
Die Abhandlung "Über den Ursprung der Sprache" ist in vielen Ausgaben erschienen. Ich beziehe mich auf eine Ausgabe aus dem Internet bzw. auf Stuttgart 2001.
Bei dem Buch "Was die Stimme betrifft" aus den Problemata Physica des antiken Philosophen handelt es sich um eine Sammlung von Bemerkungen, die allesamt mit Stimme bzw. Schallphänomenen verschiedenster Art zu tun haben. Es geht also sowohl direkt um die Stimme, als auch um Klangphänomene im allgemeinen. Die Beobachtungen des Aristoteles und die Fragen, die er daraus ableitet, sind zum Teil äußerst interessant, auch weil heute niemand auf solche Fragen kommen würde. Die Antworten aber wirken auf uns teilweise geradezu abstrus. Ein Grund dafür liegt in einigen Voraussetzungen, die Aristoteles mehr oder weniger fraglos akzeptierte, durch die moderne Wissenschaft aber längst von anderen Hypothesen abgelöst wurden. So kannte Aristoteles noch nicht die Idee der Gravitation und keine Reibung und er vertrat eine falsche Stimmerzeugungstheorie. Danach soll der menschliche Stimmklang im Prinzip ähnlich produziert werden wie der Klang einer Flöte, nämlich durch Anstoßen der Luft, tatsächlich funktioniert aber der menschliche "Stimmapparat" eher wie ein Holzblasinstrument, bei dem durch die Vibration des Holzblattes respektive der Stimmlippen die Töne erzeugt werden. Mit seiner Flötentheorie war Aristoteles beileibe nicht allein, denn die alte Vorstellung Platons blieb bis ins 18. Jahr-hundert gültig, als man begann, medizinische Instrumente zu entwickeln, mit denen man in den Hals blicken und sehen konnte, daßß an der alten Theorie etwas nicht stimmt.
Die "Physiognomonica" sind möglicherweise ein pseudoaristotelischer Text, d.h. er wurde eventuell später geschrieben, allerdings im Geiste Aristoteles. Und als solcher hat er auch gewirkt. Die Zweifel an der Autorschaft des antiken Philosophen sind erst ungefähr 150 Jahre alt. Hier versammelt Aristoteles seine physiognomischen Erkenntnisse, zu denen auch gehört, daß die Stimme eines Menschen etwas über den Charakter und das sogenannte Innere der Person aussagt. Bei Aristoteles kommen die Ergebnisse fast immer durch den Vergleich mit Stimmen aus dem Tierreich zustande. Eine merkwürdige Vorstellung, an die man sich bei der Lektüre gewöhnen muß ohne freilich Gefahr zu laufen, sie sich anzueignen. Aristoteles bietet jedenfalls eine angenehm pragmatische Konzeption des Zusammenspiels von Körper und Seele, das für das Verständnis der Stimme meiner Meinung nach eine so große Rolle spielt.
Auf der CD sind folgende Ausgaben und Übersetzungen zu hören:
- Was die Stimme betrifft, aus: Problemata Physica, übersetzt von Hellmuth Flashar, Darmstadt 1962.
- Physiognomonica, üübersetzt von Sabine Vogt, Darmstadt 1999
Die Veröffentlichung als Hörbuch erfolgt mit freundlicher Erlaubnis des Akademie Verlages Berlin.
In seinen "Briefen zur ästhetischen Erziehung des Menschen" macht Schiller die Frage der Leib-Seele-Beziehung zu einem existentiellen Problem! Für ihn, der Zeit seines Lebens mit Krankheiten zu kämpfen hatte, ging es hier nicht um bloße Theorie. Er erfuhr sein Dasein als einen permanenten Kampf zwischen starkem Geist und krankem Körper und sah sich gezwungen, über diesen Zusammenhang tief nachzudenken und mit ihm zu leben.
Wie, so fragt er, können wir die auseinanderstrebenden Tendenzen des Körperlichen und Geistigen so miteinander versöhnen, daß sie für statt gegen den Menschen arbeiten? Durch Kunst! Schönheit, Ästhetik. Das ist die Antwort der ästhetischen Briefe und recht gelesen beweist sie meiner Ansicht nach eine große Aktualität, gerade wenn man sich ihr aus dem Blickwinkel der Stimmentwicklung nähert. Wer weiß, vielleicht liegt hier, nach dem Zusammenbruch der politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts eine Keimzelle für lebensnähere Utopien.....
Die Briefe sind in vielen Ausgaben erschienen, ich beziehe mich auf Internetversionen und Stuttgart 2000
"Die Seele aus dem Leib: Stimme" lautet der Titel einer Reihe von Lesungen bzw. Hörbüchern, in denen ich Texte vorstellen möchte, die meiner Meinung nach für unser Verständnis der menschlichen Stimme von Belang sind. Zwar gibt es in unserer Tradition so gut wie keine Schriften, in denen die Stimme als sie selbst zum Thema gemacht wird. Statt dessen kommt sie immer nur im Rahmen von Sprachphilosophie, Rhetorik oder gesangstheoretischen Überlegungen vor. Doch manchmal findet man Autoren, die in diesem Rahmen auch der Stimme selbst einen gewissen Raum geben. Und andere Denker haben Ideen zum allgemeinen Verständnis des Menschen vorgelegt, die man, obwohl das Wort Stimme in den Texten gar nicht vorkommt, auf die menschliche Stimme hin lesen kann. Mich interessieren folgende Fragen:
Was sind die kulturhistorischen Bedingungen dafür, daß wir Stimme heute so verstehen, wie wir sie verstehen? Es gibt eine Geschichte des Stimmverständnis. Wie wurde früher die Stimme gedacht?
Wenn man den Menschen als ein Wesen verstehen will, das aus Körper und Geist zusammengesetzt ist – was immer das heißen mag – wo ist dann der Ort und welches ist die Funktion der menschlichen Stimme in diesem Gefüge?
Die Antwort auf diese letzte Frage hängt davon ab, wie man den Leib-Seele-Zusammenhang im Menschen deutet. In den Schriften, die ich hier als Hörbücher anbiete, finden sich verschiedene Versionen, die auf verschiedene Ideen der menschlichen Stimme hinauslaufen. Genug Material also, um selbst weiterzudenken und vielleicht ein eigenes Verständnis der Stimme zu ersinnen......